Weihbischof Dr. Bentz unterwegs im Rahmen der Caritas-Armutswochen
"Was man sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs der Wohnungslosigkeit in unsrer Stadt", so der Mainzer Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz bei einem Rundgang im Rahmen der Caritas-Armutswochen. "Ich bin dankbar für die ‚Sehhilfe‘, die ich heute bei unserem gemeinsamen Weg durch die Stadt erhalten habe. Wohnungslose verstecken sich, weil sich Not versteckt. Umso notwendiger ist die Sensibilität für diese versteckte Form der Armut."
Es gibt sie an vielen Ecken in der Mainzer Innenstadt: Menschen ohne festen Wohnsitz, die oft mit ihrem wenigen Hab und Gut in Tüten oder Taschen verpackt auf Bürgersteigen sitzen oder sich nachts einen Platz in einer halbwegs geschützten Ecke suchen. Willi Schuth von der Katholischen Cityseelsorge sowie die Mitarbeiter*innen der Caritas-Wohnungslosenhilfe kennen viele dieser Plätze und ihre Nutzer*innen. Gemeinsam waren sie am Montag mit dem Mainzer Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz in der Innenstadt unterwegs, um diese Plätze aufzusuchen und dabei auf die aktuellen Probleme in der Wohnungslosenhilfe aufmerksam zu machen. Anlass des Rundgangs waren die Caritas-Armutswochen, die in diesem Jahr unter dem Motto "Mittendrin - außen vor. Wem gehört die Stadt?" stehen.
Startpunkt war die Cityseelsorge neben der Römerpassage, wo sich neben Willi Schuth auch Thomas Stadtfeld, Leiter der Wohnungslosenhilfe im Caritasverband Mainz, sowie Beate Jagusch und Sabine Hamann von der Caritas-Start-Hilfe einfanden, um Weihbischof Dr. Bentz zu begleiten. Komplettiert wurde die Gruppe durch Diözesancaritasdirektorin Regina Freisberg und Georg Wörsdörfer, Caritas-Referent für Armutsfragen und Teilhabe. Stationen des Stadtspaziergangs der anderen Art waren am Brand, der Brückenturm und Theaterplatz, der Leichhof und auch der Hopfengarten. Dabei begegnete die Gruppe einigen bekannten Wohnungslosen, an manchen Plätzen lagen verlassen alte Matratzen auf dem Boden oder prall gefüllte Taschen auf Bänken. "Rund 600 bis 800 Menschen leben in Mainz in einer prekären Wohnungssituation", erläuterte Thomas Stadtfeld. Auffallend sei aktuell der starke Anstieg an jungen Menschen und auch an Geflüchteten.
Räumlichkeiten für Tagesaufenthalt gesucht
Nun stehe der Winter vor der Tür und der Wunsch nach einem Tagesaufenthalt für diese Menschen werde immer größer, so der Leiter der Wohnungslosenhilfe. Dieser sei in Mainz dringend nötig, bestätigt auch Beate Jagusch von der Starthilfe: "Bis zu 60 Menschen täglich nehmen in der Pfarrer-Landvogt-Hilfe in der Zitadelle zwar ein Frühstück ein, danach stehen die Leute aber meist auf der Straße." Es fehle an einem Aufenthaltsort am Tag. Seit Mitte des Jahres ist das Team des Caritasverbands Mainz e.V. daher auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten Aus zusätzlichen Kirchensteuereinnahmen der Energiepreispauschale 2022 hatte das Bistum Mainz bereits eine Anschubfinanzierung ermöglicht.
Bislang sucht der Caritasverband Mainz jedoch vergebens. Vorschläge scheitern oft an den Vermietern oder den Anwohnern, sobald das Thema Wohnungslose im Haus oder in der Nachbarschaft auf den Tisch kommt. "Ohne gute Lobby geht es nicht", fasste Thomas Stadtfeld zusammen. Und weiter: "Alle von der Straße weg ist ein Ziel, das nicht erreichbar ist." Man könne den Männern und Frauen das Leben auf der Straße aber erleichtern, zum Beispiel mit einem sicheren Ort, bestenfalls mit Sanitäranlagen, der tagsüber von allen genutzt werden könne.
Letzte Station des Rundgangs war die Start-Hilfe der Caritas an der Zitadelle, eine Beratungsstelle für Menschen in prekären Wohnsituationen. Die Einrichtung erstellt unter anderem eine verbindliche Postadresse für Wohnungslose, um so überhaupt eine behördliche Kommunikation zu ermöglichen. "Etwa 250 Menschen finden pro Jahr den Weg zu uns, um sich von uns unterstützen zu lassen", berichtet Sabine Hamann von der Start-Hilfe. Weihbischof Dr. Bentz und Diözesancaritasdirektorin Freisberg erhielten einen Überblick über die vielfältigen Angebote des Caritasverbandes Mainz für Menschen mit drohendem oder bereits geschehenem Wohnungsverlust: "Von der niedrigschwelligen Beratung bis zum dauerhaften Wohnangebot sind professionelle Hilfen vorhanden, nun gilt es die Lücke eines Tagesaufenthaltes zu schließen", sagte Freisberg.
Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz dankte für den Einblick in die Arbeit der Caritas mit Wohnungslosen. "In Beziehung gehen und Kontakt aufbauen. Das ist der entscheidende Schlüssel, wohnungslosen Menschen Möglichkeiten der Teilhabe an der Gesellschaft zu eröffnen. Das Leitwort der Armutswochen bringt es auf den Punkt: Die Stadt gehört allen - auch denen, die auf der Straße leben. Es braucht ein gemeinsames Bemühen von Politik, Kirche und allen gesellschaftlichen Kräften, solche Angebote aufrecht zu erhalten und weiter zu entwickeln."
Mit den Armutswochen richtet die Caritas jedes Jahr im Herbst den Blick auf Menschen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind. Dieses Jahr stehen die Armutswochen zwischen dem 17. Oktober, dem internationalen Tag zur Beseitigung der Armut, und dem vom Papst ausgerufenen Welttag der Armen am 19. November unter dem Motto "Mittendrin - außen vor. Wem gehört die Stadt?".