Von der Arbeit zum Ehrenamt: Zwei Frauen erzählen
Von der Arbeit zum Ehrenamt: Zwei Frauen erzählen
In einer Welt, in der Karriere oft im Vordergrund steht, gibt es dennoch Unternehmen, die ihre Mitarbeiter*innen ermutigen, sich sozial zu engagieren. Wie bei Isolde Klein-Meier und Anna Boßdorf. Beide Frauen wurden von ihren jeweiligen Arbeitgebern inspiriert, ein Ehrenamt zu übernehmen. Ihre Geschichten sind anregende Beispiele dafür, wie eine unterstützende Arbeitsumgebung dazu beitragen kann, dass Talente nicht nur im Beruf, sondern auch im Ehrenamt erblühen.
Isolde Klein-Meier: Sozial aktiv im engagierten Ruhestand
Es war ein Zeitungsbericht, der im Sommer 2018 das Interesse von Isolde Klein-Meier am Haus St. Martin, eine Einrichtung für rund 50 Kinder und Jugendlichen mit komplexen Beeinträchtigungen, weckte. Das Sommerfest der Einrichtung in Ingelheim stand kurz bevor und die damalige Postbeamtin beschloss, hinzugehen. "Das Angebot meines Arbeitgebers spielte dabei eine besondere Rolle", erinnert sich Isolde Klein-Meier. Sie bekam damals die Möglichkeit, in den engagierten Ruhestand zu treten. Dieses Programm ermöglichte den Mitarbeiter*innen, innerhalb eines zeitlich befristeten Rahmens, ehrenamtlich in einem sozialen Bereich tätig zu werden. 1.000 Sozialstunden sah der engagierte Ruhestand vor, die es abzuleisten galt. Nach dem Besuch des Sommerfests stand für die ehemalige Beamtin schnell fest, sich im Haus St. Martin ehrenamtlich zu engagieren: "Ich konnte sofort die hohe soziale Kompetenz durch den besonders liebevollen und wertschätzenden Umgang der Beschäftigten der Einrichtung mit den Kindern spüren."
Wichtige Unterstützung im Alltag
Seitdem kommt Isolde Klein-Meier mehrmals in der Woche zu den Kindern und Jugendlichen, um mit ihnen zu spielen, zu basteln, ihnen vorzulesen oder in der Stadt spazieren zu gehen. "Die Kinder sind so einzigartig und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so herzlich, es macht hier einfach Spaß", so die Pensionärin. Und es ist abwechslungsreich, gerade stand zum Beispiel ein Frisörbesuch mit einem jungen Bewohner auf dem Programm. Ihr Einsatz ist eine wichtige Unterstützung im Alltag, die auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr zu schätzen wissen. Aufgrund der vielen Kinder und Jugendlichen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, ist es für die Pflegekräfte oftmals eine große Herausforderung, die Kinder zu solchen Terminen oder auf Ausflüge zu begleiten.
Kein Gedanke ans Aufhören
So ist es nicht zuletzt auch die Wertschätzung, die Isolde Klein-Meier von den Mitarbeitenden entgegengebracht wird, ihr Ehrenamt noch lange fortzuführen. Denn, die 1.000 Sozialstunden sind längst vorbei, doch ans Aufhören denkt Isolde Klein-Meier auch nach fast sechs Jahren noch lange nicht: "Ich bin froh und sehr glücklich, ein Teil meiner Lebenszeit über diesen Weg als Dank für mein bisher erfülltes Leben hier einsetzen zu können und hoffe, hier noch über eine längere Zeit gebraucht zu werden."
Anna Boßdorf: Musizieren für die Inklusion
Die Geigenpädagogin Anna Boßdorf begleitet die wöchentlichen Proben der Inklusionsband "Alpina Miezis", ein Kooperationsprojekt der Musikschule im Weiterbildungszentrum Ingelheim (WBZ) und Jugendlichen aus dem Haus St. Martin. Auch bei ihrem sozialen Engagement spielt der Arbeitgeber eine wichtige Rolle. Wir haben nachgefragt.
Wie entstand das Kooperationsprojekt?
Anna Boßdorf: Der Ausbau der inklusiven Arbeit stand schon länger für die Leitung der Musikschule auf dem Plan. Durch die Mitgliedschaft der stellvertretenden Leiterin im Freundeskreis des Haus St. Martin kam ganz konkret die Kooperationsidee mit dieser Einrichtung. So kam es im Sommer 2023 zur Gründung der Inklusionsband "Alpina Miezis". Steffen Kirchpfening - der Leiter der Band und Instrumentalpädagoge an der Musikschule - hat durch sein Interesse an der inklusiven Arbeit, seinen Fortbildungen und Berufung auf diesem Aufgabenfeld optimale Bedingungen für die Gründung geboten.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Anna Boßdorf: Durch den Leiter der Band habe ich bei zahlreichen Gesprächen viel über die neue Inklusionsband erfahren. Im Rahmen meiner Tätigkeit an der Musikschule habe ich die tolle Truppe dann bei Auftritten erlebt und nach Möglichkeit hier und da geholfen. Im nächsten Schritt habe ich außerhalb der Arbeitszeit meine musikalischen Fähigkeiten unterstützend eingebracht und schon bald war es für mich selbstverständlich, wöchentliche Proben wahrzunehmen. In der Gruppe herrscht eine wunderbare Stimmung, wir freuen uns von Probe zu Probe sehr aufeinander und die Auftrittsabenteuer schweißen uns richtig zusammen.
Was bedeutet ehrenamtliches Engagement für Sie?
Anna Boßdorf: Nicht jede Tätigkeit ist nur dann attraktiv, wenn sie mit Gage entlohnt wird. Ich habe eine sehr große Freude am Geben, kann mir genau dieses Engagement zeitlich leisten und die größte Belohnung dafür sind die Glücksgefühle, die ich empfinde, wenn ich glückliche Gesichter der Mitglieder unserer musikalischen Familie sehe.