AD(H)S im Erwachsenenalter
Die Vortragende Angelika Dripke (im Vorstand des ADS Mainz tätig) bewegte sich anhand von Fragen aus dem Publikum von einem Aspekt zum nächsten und vermittelte den betroffenen, angehörigen und interessierten Personen einen tiefen Einblick in das Thema AD(H)S. Der Referentin, selbst von AD(H)S betroffen und als Ärztin inzwischen in der Klinischen Forschung zu dieser Erkrankung tätig, gelang es, trotz der großen Zahl an Zuhörern, eine offene Atmosphäre zu schaffen. Viele der Betroffenen gaben sich als solche zu erkennen und brachten sich durch die Schilderung ihrer persönlichen Situation in den Austausch ein.
Die Referentin klärte das Publikum darüber auf, dass es sich bei ADHS nicht um ein Defizit von Aufmerksamkeit, sondern um fehlgeleitete Aufmerksamkeit handelt. Menschen mit ADHS sind bei Themen, die sie interessieren, sehr fokussiert, können aber die Aufmerksamkeit nicht gezielt auf für sie Uninteressantes lenken. Schwierigkeiten finden sich bei diesen Menschen in insgesamt vier Bereichen: Aufmerksamkeit, Hyperaktivität (bei ADS innere und bei ADHS auch äußere Unruhe), Impulsivität und Emotionalität. Menschen mit ADHS sind sehr offen und hilfsbereit, sind jedoch kaum in der Lage, für sich selbst gut zu sorgen.
Leiden im Kindesalter geht weiter
Kinder mit ADHS erleben häufig, dass sie nicht verstanden werden; sie können in der Regel die Erwartungen der Umgebung nicht erfüllen und erleben, dass sogar die eigenen Eltern an ihnen verzweifeln. Die immer wieder erlebten Zurückweisungen durch Gleichaltrige und Erwachsene führen dazu, dass in ihnen das Gefühl wächst, nicht in Ordnung zu sein, weshalb sie kein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln können. Darunter leiden sie auch als Erwachsene noch.
ADHS-Betroffene reagieren auf Stimulanzien konträr. Während Nicht-ADHSler durch Stimulanzien aufgeputscht werden, kann sich der ADHSler nach der Einnahme deutlich besser fokussieren. Seine Unruhe wird gelindert. Behandelt wird die ADHS daher in der Regel mit Stimulanzien.
Eine nicht diagnostizierte und unbehandelte ADHS-Erkrankung birgt ein großes Risiko für eine Suchterkrankung. Indem der unter den ADHS-Symptomen leidende Patient Mittel und Wege ausprobiert, um seine Befindlichkeit zu verbessern (und seine Symptome zu lindern), erfährt er durch die Einnahme von bestimmten Drogen eine Erleichterung. Da die Drogen jedoch, im Unterschied zu den verordneten Medikamenten, eine Rauschwirkung haben, entwickelt sich häufig im Verlauf der Einnahme eine Abhängigkeit.
Oft lange Zeit bis zur Diagnose
Der Weg hin zu einer medikamentösen Behandlung führt über eine fundierte Diagnose. Dafür wird ausreichend Zeit benötigt, denn es werden neben dem Patienten (der nicht selten eine verschobene Selbstwahrnehmung hat) auch die Eltern und Freunde befragt, um ein objektives Bild hinsichtlich der Symptomatik über die Lebensspanne hinweg zu erhalten. Leider gibt es nicht so viele diagnostizierende Ärzte. Die Patienten müssen daher bis zu zwei Jahre auf einen Termin zur Diagnose warten.
Angelika Dripke wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Rahmen klinischer Studien (in diesem Rahmen ist sie derzeit tätig) teilweise auch eine solche Diagnostik durchgeführt werden kann. Hierfür können sich Menschen melden, bei denen es einen "vernünftigen" Anfangsverdacht gibt.
Die Idee für den Vortrag und die Kooperation waren im Vorfeld beim Caritaszentrum St. Elisabeth, im Rahmen der Suchtberatungsstelle entstanden. Dort wurde in der Vergangenheit immer häufiger deutlich, dass bei etlichen Klienten, die eine Suchterkrankung entwickelt haben, in der Vorgeschichte eine ADHS-Erkrankung vorlag.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Menschen mit ADHS oftmals große Fähigkeiten in sich tragen und sehr leistungsfähig sind, wenn sie einmal die Nachteile des ADHS überwunden haben. Es liegt an uns, diesen Menschen eine fachgerechte Unterstützung anzubieten, damit sie ihre Fähigkeiten entfalten und ihren Platz in unserer Gesellschaft finden können.
Martina Krayer, Caritaszentrum St. Elisabeth