[U25] – Ein Angebot, das Leben rettet
(kbw). "Ich bin mir heute noch sicher, dass dieser Kontakt mein Leben rettete", schreibt Hanna. Wie andere Kinder und Jugendliche hatte die junge Frau in einer schwierigen Situation den Kontakt zu [U25] gesucht, einer Online-Plattform zur Suizidprävention.
Sensibel begleiten hier junge Ehrenamtliche, die sich Peers nennen, suizidgefährdete Jugendliche durch den schweren Lebensabschnitt. Denn oft möchten die Verzweifelten nicht sterben, sondern vor allen nicht mehr in der für sie unerträglichen Situation leben. Im Chat mit Gleichaltrigen können sie sich anonym austauschen und kostenlos beraten lassen, wenn sie Familie und Freunde nicht ansprechen können.
"Ich möchte nicht mehr leben" - so denken Kinder und Jugendliche in suizidalen Krisen, während Menschen um sie herum nichts davon merken. Sie fühlen sich allein mit ihren Ängsten und Sorgen. "Unter Jugendlichen ist Suizid die zweithäufigste Todesursache.
Pro Jahr sterben so etwa 500 junge Menschen", erklärt Marius Rathke im Mainzer Beratungs- und Jugendhilfezentrum St. Nikolaus. Die Dunkelziffer sei sehr viel höher, macht der Erziehungswissenschaftler M.A. deutlich.

Junge Menschen seien mitunter in schwierigen Lebensphasen, sei es durch Mobbing, Krankheit, Kriege oder familiäre Differenzen: Dauerkrisen, die auf sie einprasseln. In psychologischen Krisen und depressiven Phasen könne man schnell am Leben verzweifeln. Um Suizid zu verhindern, baut Marius Rathke eine vertrauliche Online-Beratungsstelle für unter 25-Jährige in Mainz auf, weitere entstehen in Worms und Rüsselsheim. Das Präventionsprojekt wird über das Bistum Mainz finanziert und soll ab 2027 in die Bundesförderung übergehen.
Gleichaltrige antworten
"Chattet man anonym mit jemandem, der in etwa gleich alt ist, hat man weniger Hemmungen offen zu sein. Denn die Peerperson spricht die gleiche Sprache und ist nah dran an den jungen Leuten", sagt der Standort-Koordinator. Die kostenlose Online-Beratung nennt er niederschwellig und zeigt an seinem Laptop, wie leicht es ist, Hilfe zu bekommen. "Man muss nirgendwo hingehen. Einfach über die Plattform U25-deutschland.de anmelden, Nickname und Passwort erstellen und in den Chat schreiben", fasst er das Prozedere zusammen. Wobei die Begrifflichkeit "Chat" eigentlich nicht korrekt sei, sagt Marius Rathke: "[U25] wird gehandhabt wie eine E-Mail, da die Antwort zeitversetzt erfolgt."
Allen Gedanken Raum geben
Die erste Rückmeldung erhalte der Ratsuchende innerhalb von zwei Tagen, dann im Rhythmus von maximal sieben Tagen. Denn der Angeschriebene benötige mitunter Zeit, die Gedanken zu ordnen. Zudem sei es gut, "Tempo rauszunehmen". Wichtig sei vor allem die Verlässlichkeit, mit der Peerpersonen für Hilfesuchende da sind. "Wir arbeiten sehr vertraulich, es herrscht absolute Schweigepflicht! Das heißt: Es geht nichts raus aus dem Chat", unterstreicht der gelernte Erziehungswissenschaftler. Er macht jedoch deutlich, dass [U25] zwar ein Zusatz zum vorhandenen Hilfesystem, allerdings kein therapeutisches Angebot sei.
An zehn Standorten bundesweit engagieren sich aktuell 330 Peers oder Peerpersonen - so nennen sich die ehrenamtlichen Berater*innen zwischen 16 und 25 Jahren. Ella ist eine von ihnen. "Die Gründe, die Jugendliche belasten, sind immer individuell", weiß die ehrenamtlich Engagierte. "Wir nehmen alle Ratsuchende ernst. Wir fragen nach: Was führt dich in diese Krise? Hast du suizidale Gedanken? Kennst du einen Ausweg?", sagt die 22-Jährige, die seit vier Jahren Peerberaterin ist.
Im Chat können sich Hilfesuchende alles von der Seele schreiben. Das löse viel Anspannung, sagt sie. "Für die jungen Menschen wird klar: Jemand befasst sich mit mir und innerhalb von sieben Tagen bekomme ich Antwort." So könne der Chat zu einem Ankerpunkt werden, zur Zuversicht: "Da ist jemand, der hat ein Auge auf mich."
Starke Stütze in Krisen
Natürlich gebe es im Chat Themen, die einen persönlich mitnehmen, sagt Ella und wird nachdenklich. Daher sei es gut, dass die Gedanken schriftlich formuliert und anonym verfasst seien: "Das hilft mir, mit Distanz zu reagieren und nicht emotional." Kräftigend sei, die persönlichen Ressourcen der Ratsuchenden in den Blick zu nehmen und sie aufzufordern: "Wann hast du dich das letzte Mal richtig wohlgefühlt? Erzähl‘ mir davon!"
AUSBILDUNG ZUM*ZUR [U25]-BERATER*IN
Jede*r Peer (16-25 Jahre) durchläuft eine dreimonatige Ausbildung (32 Stunden) zur Krisenbegleiter*in mit diesen Inhalten:
1. Fachwissen über suizidale Entwicklungen und psychische Störungen = wichtige Basis, um fundiert zu beraten
2. Auseinandersetzung mit eigenen Krisenerfahrungen = Verstehen und Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu Ratsuchenden erleichtern
3. Üben an Fallbeispielen = nötige Beratungstechniken erlernen
4. Technische Einweisung = Funktionen des Beratungsportals kennen
KONTAKT:
Marius Rathke
[U25] Online-Suizidprävention Mainz
u25@caritas-mainz.de