Zuhören und anpacken: Begegnungen im Brotkorb Ingelheim
Rund 100 Bedürftige standen - wie nahezu jede Woche - am vergangenen Dienstagnachmittag vor der Tür des Brotkorbs Ingelheim. Ausgestattet mit Tüten, Taschen und Körbe wartete die Gruppe auf Einlass. Hinter der geschlossenen Tür rotierten noch die Ehrenamtlichen, die letzten Vorbereitungen für eine reibungslose Ausgabe der Lebensmittel wurden getroffen. Diesmal mit dabei: Stephanie Rieth, die Bevollmächtigte des Generalvikars, und Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick. Beide engagierten sich im Rahmen der diesjährigen Caritas-Armutswochen mit dem Fokus "Frieden beginnt beim Zuhören" hinter der Theke des Brotkorbs. Neben der Lebensmittelausgabe stand an diesem Nachmittag für sie vor allem die Begegnung mit den Menschen im Vordergrund: Was benötigen Menschen, wenn sie Armut erleben? Was braucht es, damit Menschen Armut überwinden können?
Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars, war von der gegenseitigen Wertschätzung bei der Lebensmittelausgabe beeindruckt.
Nach Öffnung der Türen zog die Schlange vorbei an Kisten mit Gemüse, Obst, Gebäck, Käse und Wurst. Stephanie Rieth packte Brote, Brötchen und süßes Gebäck in die Taschen der Kund*innen, während Nicola Adick die Bedürftigen mit frischem Obst versorgte. Die Dankbarkeit der Menschen ist stets groß, die Kommunikation nicht immer einfach. "Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine haben wir einen sehr hohen Anteil an Menschen aus dem von Krieg betroffenen Gebieten", erzählte Einrichtungsleiter Marcus Krüger vom Caritaszentrum St. Laurentius, zu dem der Brotkorb gehört. Bei insgesamt 350 berechtigten Haushalten in Ingelheim, werden rund 11.000 individuelle Lebensmitteltüten jährlich ausgegeben. Und so waren innerhalb von 1,5 Stunden auch an diesem Tag die Regale leer, die Kisten eingeklappt.
"Was ich hier erlebt habe ist mehr als eine Ausgabe von Lebensmitteln, das hier lebt vom Moment, von den Begegnungen", resümierte Stephanie Rieth nach ihrem Einsatz im Brotkorb Ingelheim. Und weiter: "Ich habe eine gegenseitige Wertschätzung wahrgenommen. Das hat mich sehr beeindruckt."
Ohne die "Brotkorbengel" läuft es nicht
Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick (Mitte) überreichte frisches Obst an die Kund*innen im Brotkorb.
Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick sagte: "Hier geben sich alle so viel Mühe, dass jeder ausreichend Essen erhält. Dennoch ist es bedrückend, dass der Staat sich auf den Einsatz der Ehrenamtlichen verlässt, die Bedürftigen mit Lebensmitteln zu versorgen." Die ehrenamtlichen Helfer, das sind die "Brotkorbengel", so werden sie im Caritaszentrum St. Laurentius genannt. Insgesamt 36 Menschen engagieren sich dort unentgeltlich. Eine von ihnen ist Linda Volkovski. Sie stammt ursprünglich aus Kasachstan und lebt seit 26 Jahren in Ingelheim. Seit ihrem Renteneintritt vor drei Jahren arbeitet sie ehrenamtlich beim Brotkorb: "Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben." Mit ihren Russisch- und Ukrainisch-Kenntnissen ist sie zu einer wichtigen Ansprechperson für die Menschen im Brotkorb geworden: "Hier geht es um mehr, als um Essen. Wir sind irgendwie auch Alltagshelfer, man kommt mit gesundheitlichen oder privaten Problemen zu uns." Und natürlich versuche man jedem, so gut es geht, zu helfen.
Die Zahl der Bedürftigen steigt stetig, nicht nur in Ingelheim.
Dabei sind die Zeiten für den Brotkorb nicht leicht. "Die Lebensmittelspenden stagnieren oder gehen sogar leicht zurück, während die Zahl der Bedürftigen weiterhin steigt", weiß Marcus Krüger. Gleichzeitig erlebe das Caritaszentrum aber weiterhin eine Welle der Solidarität. Firmen, Gruppen und natürlich Privatpersonen helfen mit Sach- und Geldspenden oder engagieren sich ehrenamtlich im Zentrum. Dafür sei man sehr dankbar.
Mit den Armutswochen richtet die Caritas jedes Jahr im Herbst den Blick auf Menschen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind. Dieses Jahr stehen die Armutswochen zwischen dem 17. Oktober, dem internationalen Tag zur Beseitigung der Armut, und dem vom Papst ausgerufenen Welttag der Armen am 19. November unter dem Motto "Frieden beginnt beim Zuhören." Die Caritas möchte ein sichtbares Zeichen setzen für diejenigen, die im lauten politischen Tagesgeschäft oft übersehen werden.